Prozess gegen Auschwitz: «Es darf keinen Schlussstrich geben»
Es ist einer der letzten Prozesse gegen Auschwitz: seit Donnerstag, dem 11. Februar, muss sich der 94-jährige Rentner Rainhold Hanning aus dem westfälischen Lage vor dem Landgericht Detmold für seine Mithilfe im Massenvernichtungskomplex Auschwitz verantworten. Zwischen Januar 1943 und Juni 1944 war Hanning für den SS-Totenkopf Sturmbann als Wachmann des Stammlagers tätig. Als SS-Unterscharführer soll er dabei Transporte ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau selektiert haben. Zwischen Mai und Juli 1944 wurden in der sogenannten «Ungarn-Aktion» allein dort hunderttausende ungarische Juden ermordet.
»Vom Morden nichts gewusst». Die Staatsanwaltschaft wirft Hanning Beihilfe zum Mord in mindestens 170.000 Fällen vor. Der Prozess ist bis zum 20. Mai mit zwölf Verhandlungstagen angesetzt. Seinen Einsatz im Vernichtungslager hatte der Angeklagte bereits im Vorfeld eingeräumt, direkte Tötungshandlungen können ihm bislang nicht nachgewiesen werden. Hanning behauptet, von dem Vernichtungsprozess nichts gewusst zu haben.
Beitrag zur Tötungsmaschinerie. Der letzte Auschwitz-Prozess fand im April 2015 gegen den als «Auschwitz-Buchhalter» bekannt gewordenen Oskar Gröning statt, der vom Landgericht Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord an 300.000 Juden zu vier Jahren Haft verurteilt wurde. In der Vergangenheit war die «Beihilfe» am NS-Verbrechen nur juristisch verfolgt worden, wenn eine konkrete Beteiligung an einem Mord nachgewiesen werden konnte. Da dafür mittlerweile zunehmend Zeugen fehlen, kann seit 2011 jeder zur Verantwortung gezogen werden, der der Tötungsmaschinerie in jedweder Form gedient hat. Damit wird deutlich gemacht: jeder Beitrag hat das Funktionieren des Vernichtungsapparat unterstützt.
Ein Akt später Gerechtigkeit. Auschwitz-Überlebende und Angehörige, unter ihnen 40 Nebenkläger, kamen am Donnerstag zur Verhandlung in den Räumen der Industrie- und Handelskammer Lippe. Der Exekutiv Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees (IAK) Christoph Heubner betonte: «Für die Überlebenden von Auschwitz ist dies ein weiterer Akt später Gerechtigkeit. Es darf keinen Schlussstrich geben.» Dortmunder Oberstaatsanwalt Brendel erklärte, die deutsche Justiz und Bevölkerung seien es den Opfern und ihren Angehörigen schuldig, mutmaßliche NS-Gehilfen strafrechtlich zu verfolgen.
Das Alter ist unerheblich. Dem 94-jährigen Angeklagten war von einem Gutachter eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit attestiert worden, die Sitzungen pro Prozesstag sollen deswegen maximal zwei Stunden dauern. Für ein Urteil ist das Alter des Angeklagten jedoch unerheblich – Beihilfe zum Mord verjährt nicht, es drohen mindestens drei Jahre Freiheitsstrafe. Drei weitere Auschwitz-Bedienstete sind vor Gerichten in Kiel, Hanau und Neubrandenburg angeklagt, die Verhandlungstermine sind noch unbekannt.
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