Fünf Fakten zur italienischen Auswanderung nach Berlin
Im letzten Jahr gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamts in Deutschland 574.530 Italiener. Ihre Zuwanderung ist mit der europäischen Wirtschaftskrise rapide gestiegen – 2014 im Vergleich zum Vorjahr allein um 22,4%. Nach Angaben des statistischen Landesamts lebten Ende 2014 25.250 zugewanderte Italiener in Berlin, Deutsche mit italienischem Migrationshintergrund dabei nicht miteingerechnet. Das sind über 4% der Gesamtheit an gemeldeten Ausländern der Bundeshauptstadt und damit die drittgrößte Ausländergruppe Berlins.
Was sind die Gründe, die vor allem junge Italiener zu einem Umzug nach Deutschland bewegen? Es lohnt sich ein Blick auf konkrete Fakten im Vergleich Italien und Deutschland sowie Rom und Berlin.
1. Wie schon zu Zeiten des Wirtschaftswunders der 50er und 60er Jahre begibt sich ein Großteil der Italiener zur Arbeitssuche nach Deutschland. Die Arbeitslosenquote in Italien (11,5%) ist im Oktober diesen Jahres nach Angaben von Italiens Nationalen Instituts für Statistik in der Tat immer noch fast doppelt so groß wie in Deutschland (6%). Interessant ist die geringfügige Differenz im direkten Vergleich der Arbeitslosenziffern von Rom (11,3%) und Berlin (10,5%).
2. In den letzten Jahren waren es vor allem viele junge Menschen, die aus Italien nach Deutschland ausgewandert sind. Die Jugendarbeitslosenquote beschreibt die Anzahl der arbeitslosen 15 bis 25-Jährigen als Anteil aller Arbeitssuchenden desselben Alters. In Italien sind das 40,5%, in Deutschland nur 7,7%. Seit 2005 hat sich die Jugendarbeitslosigkeit in Gesamtdeutschland sogar halbiert. Berlin wies im Jahr 2014 eine Jugendarbeitslosenquote von 11,3% auf – in diesem Jahr sind es bereits nur noch 9,7%. Nach Angaben der italienischen Gewerkschaften Acli und Cisl beträgt die Jugendarbeitslosigkeit in Rom 2014 33,3% und ist damit seit dem Jahr 2008 um ganze 15,8% gestiegen.
3. Neben den Erleichterungen auf dem Arbeitsmarkt wollen viele Italiener von den geringeren Lebenshaltungskosten in Deutschland profitieren. Ein direkter Vergleich ergibt: die Lebenshaltungskosten in Rom übersteigen im Hinblick auf Verbraucherpreise – in der Regel Nahrungsmittel, alkoholische Getränke und Tabakwaren sowie Bekleidung – und Mietkosten Berlin um knappe 19%. Gewichtig fallen hier vor allem die Mietpreise aus: eine gleichwertig ausgestattete Ein-Zimmer-Wohnung kostet im Zentrum von Rom mit im Schnitt über 1000 Euro 36% mehr als im Stadtzentrum Berlins, wo man trotz der Mietpreissteigungen der letzten Jahre noch immer Warmmieten von um die 600 Euro vorfindet. Außerhalb des Stadtkerns liegt der Unterschied zwischen Rom (ca. 690 Euro) und Berlin (ca. 460 Euro) bei 34%. Ebenfalls ausschlaggebend für die Lebenshaltungskosten: ein Restaurantbesuch kostet in Rom durchschnittlich 34% mehr als in Berlin.
4. Viele Immigranten lockt seit 2015 Deutschlands gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde – den gibt es in Italien nicht. Bei einer neueren Studie der Schweizer Bank UBS steht Rom anteilig zum weltweit höchsten Bruttoeinkommen, das aktuell in Zürich liegt, mit 45% knapp unter Berlin mit 48%. Konkrete Zahlen liegen für das Jahr 2014 vor: Das Bruttonationaleinkommen pro Einwohner lag laut Statistischem Bundesamt in Deutschland bei 43.883, in Italien bei 31.575 Euro. Unter Berücksichtigung der erhöhten Lebenshaltungskosten in Italien gestaltet sich ein Leben in Deutschland damit deutlich günstiger.
5. Teurer als in Rom sind in Berlin die Kosten für die öffentlichen Verkehrsmittel: ein Einzelfahrschein für eine Fahrzeit von 100 Minuten kostet in Rom für alle Verkehrsmittel 1,50 Euro, in Berlin mittlerweile 2,70 Euro. Ein Monatsticket kann in Berlin ab dem ersten Gültigkeitstag gleitend ausgestellt werden und kostet 79,50 Euro, in Rom gilt es nur für den jeweilig laufenden Monat und liegt bei 35 Euro. Viele Italiener freuen sich in Deutschland über bessere Verkehrsanbindungen, die vor allem den Pendlerverkehr erleichtern. Rom hat lediglich zwei U-Bahn-Linien, um keine Beschädigung der historischen Anlagen zu riskieren. Die U-Bahnlinien A und B fahren unter der Woche bis 23:30 Uhr, am Wochenende bis 1:30 Uhr. Darüber hinaus verfügt Rom über ein Bus- und Straßenbahnnetz ohne feste Abfahrzeiten. Das Berliner Verkehrsnetz umfasst dagegen 15 S-Bahnlinien, 10 U-Bahnlinien, 22 Straßenbahnlinien und zahlreiche Busse. Unter der Woche fahren S- und U-Bahn bis circa 1 Uhr nachts, danach kann die Metrotram oder der Nachtbus genutzt werden. Am Wochenende und vor Feiertagen ist das Verkehrsnetz rund um die Uhr aktiv. Für das Ende des Jahres 2014 kann in Berlin daher die Anzahl der gemeldeten PKWs auf gemeldete Einwohner mit rund 33,5% berechnet werden. In Rom sind es laut ACI, Automobile Club d’Italia, 66%, also das Doppelte.
Die Fakten sprechen für sich: Gemessen an Arbeitsmarkt, geringeren Ausgaben, höherem Einkommen und verstärkter Mobilität, ist es nachzuvollziehen, warum es viele Italiener nach Berlin zieht. Eine Steigerung der Lebensqualität ist selbstverständlich jeweils individuell zu verstehen und umfasst noch viele andere Faktoren.
Photo © dierk schaefer