“Anerkennung für den Übersetzer? Besser als in den 70er Jahren! Aber der Weg ist noch weit.”
Auch wenn Renommee im modernen Literaturbetrieb nicht unbedingt für den Übersetzer eines Werkes aufgespart wird, kann man Burkhart Kroeber als einen der renommiertesten deutschsprachigen Übersetzer bezeichnen. Kroeber, besonders bekannt als Übersetzer der Werke Umberto Ecos und Italo Calvinos, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz erster Klasse und den Deutsch-Italienischen Übersetzerpreis für sein Lebenswerk, und lehrte als Gastprofessor ein Semester an der Freien Universität Berlin. Beachtung erregte auch seine Neuübersetzung der Promessi Sposi von Alessandro Manzoni (Hanser 2000), bei welcher ihm eine außergewöhnlich syntaxgetreue Wiedergabe des italienischen Textes gelang. Wir von Berlino Cacio Pepe wollten mehr über seine Beziehung zum Übersetzen wissen und verstehen, wie es heutzutage ist, Übersetzer zu sein. Zu unserer Freude war Burkhart Kroeber sofort einverstanden, uns auf diese Fragen via Mail Antworten zu geben.
Was ist der größte Unterschied zwischen der italienischen und der deutschen Sprache?
Für mich nicht etwa die klangliche Schönheit, wie meistens gesagt wird, sondern die Flexibilität in der Syntax, die im Italienischen viel größer ist als im Deutschen. Längere Sätze sind im Italienischen dank der Möglichkeit, mit Gerundien zu operieren und beschreibende Adjektive dem Substantiv nachfolgen zu lassen, viel leichter zu bilden und zu verstehen, auch für ungeübte Sprechteilnehmer – während im Deutschen bekanntlich das Verb in der Regel am Ende kommt und Adjektive vor dem Substantiv stehen müssen, weshalb ungeübte Sprecher sich bei langen Sätzen leicht verhaspeln. Komplexe italienische Satzperioden, wie man sie nicht nur in Manzonis Promessi Sposi, sondern auch in heutigen Gebrauchstexten findet, etwa in Anleitungen oder Produktbeschreibungen, lassen sich im Deutschen nur mit großem Aufwand nachbilden, gelten daher als ungut („Satzungetüme“) und werden meistens beim Übersetzen – auch beim literarischen – in mehrere kürzere Sätze zerlegt, wodurch jedoch oft der Sprachfluss leidet. Den italienischen Sprachfluss im Deutschen nachzubilden, zumal wenn er so elegant und zugleich „natürlich“ klingt wie in Texten von Italo Calvino, erfordert sehr viel sprachliches Feingefühl und Erfahrung.
Gibt es Worte, die unübersetzbar sind?
Ja sicher, z.B. fast alle italienischen Schimpfwörter, Flüche, Verwünschungen usw., die mit “cazzo” operieren, oder im Deutschen ein Wort wie “Gemüt”. Aber sie lassen sich trotzdem meist irgendwie umschreiben, sodass der Sinn deutlich wird. Wirklich unübersetzbar sind nur Wortspiele, wenn sie mit Doppeldeutigkeiten spielen, die es in der anderen Sprache nicht gibt, wie z.B. dieser Kalauer in Umberto Ecos neuestem Roman: “Perché le parallele non s’incontrano mai? Perché se s’incontrassero chi ci fa gli esercizi sopra si spaccherebbe le gambe.” („Warum treffen sich die Parallelen nie? Weil, wenn sie sich träfen, man sich beim Turnen auf ihnen die Beine brechen würde.“) Im Italienischen heißt parallela auch der Barren, auf dem man turnt. Dieser Witz lässt sich im Deutschen beim besten Willen nicht nachbilden, weshalb ich den Satz in meiner Übersetzung weglassen muss – was aber kein großer Verlust ist, da er in einer Reihe mit vielen anderen Kalauern steht.
Wie wichtig ist der Übersetzer/ die Übersetzerin?
Das hängt ganz von der Sichtweise ab. In den Medien, zumal im Internet, spielen die ÜbersetzerInnen kaum eine Rolle. Auf den Webseiten der meisten Verlage findet man ihre Namen, wenn überhaupt, nur nach langer Detailsuche, und ob die Literaturkritiker in den Feuilletons sie in Rezensionen übersetzter Werke erwähnen – oder gar ihre Arbeit mehr oder minder kompetent würdigen –, ist immer noch Glücksache. Aber Verlagslektoren und alle, die intensiv mit geschriebener Sprache zu tun haben – also auch viele leidenschaftliche Leser – wissen sehr wohl, dass die Qualität der Übersetzung für den Erfolg eines Werks in neuer Sprache entscheidend sein kann, und zwar um so mehr, je anspruchsvoller das Werk im Original ist.
Hat sich an der öffentlichen Wahrnehmung des Übersetzers seit dem Beginn Ihrer Übersetzertätigkeit etwas geändert?
Nun ja, seit damals schon einiges: Zu Beginn meiner Übersetzertätigkeit, in den 1970er Jahren, war es eher eine seltene Ausnahme, wenn die ÜbersetzerInnen in Rezensionen genannt wurden. Es hieß damals oft, das seien ja nur technische Zulieferer wie die Drucker, deren Namen man ja auch nicht erwähne. Heute ist es zumindest theoretisch allgemein anerkannt, dass die ÜbersetzerInnen einen wesentlichen Anteil am Erfolg oder Misserfolg einer Publikation haben können. Trotzdem kommt es auch heute noch immer wieder vor, dass die ÜbersetzerInnen nur dann explizit genannt werden, wenn es nach Meinung der KritikerInnen etwas an ihrer Arbeit auszusetzen gibt.
Gibt es ein Werk, dessen Übersetzung Ihnen besonders Spaß gemacht hat?
Calvinos Cosmicomics (die gerade in einer Neuausgabe als Taschenbuch erschienen sind) und auch sein Roman Wenn ein Reisender in einer Winternacht. Die machen mir heute noch großen Spaß, wenn ich sie nach Jahrzehnten wiederlese.
Wie sollte die Beziehung zwischen dem Autor/ der Autorin eines Textes und dem Übersetzer /der Übersetzerin dieses Textes aussehen?
Freundschaftlich-kollegial, zugleich respektvoll (beiderseits) und wenn möglich “auf Augenhöhe” – wie es meine Beziehung zu Umberto Eco seit mehr als 30 Jahren ist.
Wie ist die Bekanntschaft zwischen Ihnen und Umberto Eco entstanden?
Aus rein beruflichen Gründen: Ich hatte seinen Debüt-Roman Der Name der Rose für Hanser begutachtet und, als Hanser ihn auf mein Betreiben erworben und ins Programm genommen hatte, zu übersetzen begonnen, und Eco wollte seine Übersetzer kennenlernen. Also bin ich, nachdem ich bereits die ersten 200 Seiten übersetzt hatte, zu ihm nach Mailand gefahren, um mich vorzustellen. Das war vor 34 Jahren, seitdem haben wir uns, mit längeren Pausen zwischendurch, oft gesehen und vor allem viel korrespondiert, wenn ich an der Übersetzung eines seiner Bücher saß.
Burkhart Kroeber und Umberto Eco bei der Verleihung des deutsch-italienischen Übersetzerpreises am 13. Mai 2013 in Berlin:
Hat diese Bekanntschaft einen Einfluss auf Ihre Übersetzungen seiner Texte?
Ja, insofern ich natürlich immer versucht habe, den Unterton seiner Texte, so wie ich ihn glaubte gehört zu haben, mit zu übersetzen – oder auch die Obertöne, ich meine all das, was im gedruckten Text nur zu ahnen ist, wenn man den Autor nicht persönlich kennt. Aber ich habe mich immer bemüht, seine Sprache in genuines Deutsch zu verwandeln.
Warum hat Umberto Eco, Ihrer Meinung nach, bis heute noch keinen Nobel-Preis gewonnen oder wurde für das Amt des senatore a vita nominiert?
Ach je, dafür gibt es so viele Gründe: geographische Vorlieben des schwedischen Nobel-Komitees, Vorbehalte gegenüber “Bestsellerautoren”, politische Abneigungen, Neidereien… Und nach der seltsamen Entscheidung von 1997 für Dario Fo kann nach gängiger Praxis erst mal lange kein Italiener mehr gekürt werden.
Was ist das Schönste am Übersetzen?
Wenn es einem gelingt, den richtigen Ton zu treffen, ganz wie beim Musizieren, und wenn einem das dann auch noch von Lesern bestätigt wird (wie es mir mit Manzonis “Brautleuten” ergangen ist).
Ihr Rat an junge ÜbersetzerInnen?
Wappnen Sie sich mit Geduld, erwarten Sie keine großen Medienerfolge, rechnen Sie mit besserwisserischen LektorInnen und ignoranten KritikerInnen, aber lassen Sie sich nicht beirren, wenn Sie von der Qualität eines Textes überzeugt sind. Verbünden Sie sich, wenn möglich, mit dem Autor /der Autorin.
Erstes Foto: “Italia und Germania”, Bild von Friedrich Overbeck
Foto-Galerie © Burkhart Kroeber